Vortrag von Dieter Nahr
nach Meister Li Zhi-Chang
Der Weg der Inneren Alchemie oder auch das Stille Qi Gong ist eine Methode, mit der wir das Qi, die Lebensenergie, welche die gesamte Natur und den Kosmos durchdringt, in uns aktivieren, trainieren und nähren können. Diese Praxis, die Übungen des Stillen Qi Gongs stärken und nähren diese Lebensenergie und verhelfen uns zu einem ganzheitlichen Leben, in einer guten, lebensbejahenden geistigen Verfassung. Diese Praxis zu leben, bedeutet auch, dass wir die Verantwortung für uns selbst übernehmen und lernen, mit der Natur, anstatt gegen sie zu leben.
Die Erfahrungen, die mit dem Stillen Qi Gong gemacht werden, können weitreichende Auswirkungen für jeden einzelnen und für die gesamte Um- und Mitwelt haben. Menschen, die ihre Lebenskraft kultivieren und ein einfaches und natürliches Verständnis zu sich selbst und zur Natur entwickeln, werden immer besser entscheiden können, was für die Natur, den Kosmos lebensfeindlich und was lebensfreundlich ist. Letztendlich sind wir ein Teil dieser Natur, dieses Kosmos -wir stehen nicht außerhalb.
Im heutigen chinesischen Sprachgebrauch haben sich anstatt der Begriffe Qi Gong, die Begriffe «äußere Alchemie» (waidan) und «innere Alchemie» (neidan) durchgesetzt, von denen der erste die Anwendung von aus äußeren Mitteln gewonnenen Extrakten und Elixieren (z.B. Kräutermedizin, etc.) bezeichnet, während der zweite Begriff auf die innere Kultivierung zielt, auf verschiedenste Praktiken physischer und meditativer Natur.
Was wird unter Qi, Gong und unter Stille verstanden?
Qi Gong ist erst in den fünfziger Jahren des zwanzigsten Jahrhunderts in China institutionalisiert worden und ist somit unter dieser Bezeichnung in den Westen gekommen. Der Begriff bedeutet einfach «Qi-Praxis» oder «Qi-Anstrengung», wobei «qi» gleichzeitig für den «Atem» und für die Energieströme im Körper stehen kann.
Gong ist Arbeit am und mit dem Qi. Durch stetige stille innere Arbeit werden ganzheitlich, in Körper, und Geist, Fähigkeiten geweckt.
Mit der Arbeit am Qi fördern wir Gesundheit, heilen Krankheiten und befreien unsere schöpferische Kraft.
Der Begriff, Qi‘ wird meistens mit Lebenskraft, Lebensenergie übersetzt. Doch dem Begriff sind im Wörterbuch eine ganze Bandbreite von Bedeutungen zugeordnet: Von Luft, Geruch, Gasförmig, Wetter über Gebaren, Manieren bis zu Moral und Geist.
Qi hat eine atmosphärische Qualität, ist nichts zum Anfassen, ist kein Ding, das man berechnen und messen kann.
In einer Kultur, wie der unsrigen, brauchen wir oft einige Zeit der Übung und der Stille, um dieser atmosphärischen Qualität näher zu kommen.
Qi ist nicht fassbar und wir dürfen es gleichzeitig auch nicht wollen. Qi finden wir in den Zwischenräumen, im Ungenauen und Vagen. Qi ist die Brücke dazwischen. Qi ist etwas, das erst wahrnehmbar wird, wenn der Mensch im Herzen still geworden ist. Die Stille ist ein Weg zum Qi.
Das Herz steuert unseren Körper und unseren Geist. Chinesen nennen das Herz den „König der Organe“. Im chinesischen Verständnis ist es mehr als ein Muskel, es bedeutet auch Seele. Wenn in China von Denken gesprochen wird, ist immer eine Herzenssache gemeint. Das Schriftzeichen für das Denken ist eine Kombination der Symbole für Herz und Außenwelt.
Was verstehen wir unter Stille?
Es geht um eine innere Stille. Wir suchen Stille im Inneren, die Stille im Herzen und Harmonie in uns selbst. Auf dem Weg des Stillen Qi Gong lernen wir zuerst, uns zu entspannen und die 6 Wurzeln zu kappen.
Entspannen heißt auch, locker zu bleiben, nicht zu verkrampfen. Dabei ist eine der vielleicht ältesten Übungen, wie dieser Zustand erreicht werden kann und das Qi in einem wachsen kann: „Mit dem Herzen zu lächeln“.
Um welche 6 Wurzeln geht es? Es sind die Sinne und die Vorstellungstätigkeit, die uns im Alltag und in der sinnlichen Welt verankern.
Die Zunge legen wir still, indem wir nicht mehr reden. Wir schweigen. Wenn wir bequem sitzen, wird auch der Körper allmählich zur Ruhe finden. Wie kappen wir die Nase? Es gibt Methoden, die uns helfen, den Atem zu vergessen. Noch schwieriger mag es für manche sein, die Vorstellungstätigkeit und das innere Karussell der Gedanken zum Stillstand zu bringen. Warum wollen wir die ,6 Wurzeln‘ kappen? Auf was treffen wir, wenn wir die alltägliche Verbindung zur Welt abschalten? Wem begegnen wir, wenn wir uns nicht mehr in der Welt draußen verlieren. Wenn wir mehr nach innen schauen? Wir begegnen uns selbst. Wir selbst, das sind unsere Erinnerungen, Erwartungen, Gedanken, Gefühle, unsere Bilder von den Mitmenschen und von der Welt.
Der Geist wird ruhig und der Körper entspannt. Auf diesem Weg treffen wir hinter all unserer Bewegtheit und Unruhe auf eine tiefe Stille, die wir als unser wahres, ursprüngliches Sein erkennen. Aus der Mitte unseres Seins, der Mitte unseres Herzens wird sich – von „Innen“ heraus – Gelassenheit und das Wohlgefühl einer tiefen Zufriedenheit entfalten. Liebe, Respekt und die Verbundenheit mit der Natur, dem Kosmos werden wachsen. Wir werden immer mehr erkennen, dass wir in die Natur, den Kosmos eingebettet sind und intuitiv erfassen, welche unserer Verhaltensweisen das Leben fördern. Das ist die Arbeit mit dem Qi. Das ist der Weg des Stillen Qi Gong, der auch „Innere Kultivierung“ genannt wird.
Was ist Qi? Wir wissen es nicht. Um die Wirkung des Qi zu erfahren, sollen wir den Blick nach innen richten, wir müssen das Stille Qi Gong ausprobieren und mit dem Qi arbeiten. Dann werden wir Qi wahrnehmen und seine positiven Wirkungen auf unsere Mitwelt und uns selbst immer mehr erfahren und in einem lebensfördernden Sinn auf uns, andere und die Natur einwirken.